OKR als Brücke zwischen Strategie und Agilität

A. Köhler, E. Yakushkina, L. Wildmann

Das Objective and Key Results-Modell, kurz OKR, bietet Unternehmen die Möglichkeit ihre Ziele kontinuierlich zu reflektieren und frühzeitig in erforderlichem Maße anzupassen, falls ein strategischer Richtungswechsel notwendig ist. Dieses Steuerungsmodell ist zurückzuführen auf bereits bekannte Managementansätze, die wir heute in vielen Unternehmen vorfinden.

 

OKR – agil zum Ziel

Von Management by Objective bis SCRUM – ist OKR nicht von allen ein bisschen?

Peter Drucker entwickelte 1954 das Modell Management by Objectives (MbO). Dieses zielt darauf ab die Unternehmensleistung zu verbessern, indem klare Ziele durch das Management definiert und entlang der Unternehmenshierarchie heruntergebrochen werden. Die festgelegten Jahresziele und Resultate werden dabei einmalig zum Jahresende reflektiert. Der Ansatz zielt darauf ab, in kompetitiven Märkten mit verbesserter Planung und klarerer Zielformulierung eine höhere Produktivität und höhere Gewinnen zu erreichen.

Im Anschluss wurde 1981 die S.M.A.R.T.-Formel entwickelt, die als ein Hilfsmittel oder eine Vorlage für die Konkretisierung und Messbarkeit von Zielen dient. Hierbei werden Frage- oder Aufgabenstellungen so umformuliert, dass sie für jeden (metaphorisch) greifbarer, messbarer und vergleichbarer werden.

In den 90ern führte das Nolan Norton Institute bei mehreren größeren US-Unternehmen eine Studie zur Leistungsmessung durch. Als Konsequenz daraus, entstand das Konzept der Balanced Scorecard, welche verschiedenen Kennzahlen verwendet, um Mitarbeiter mit Erfolgsfaktoren über gegenwärtige und zukünftige Erfolge zu informieren. Charakteristisch für den Ansatz ist, wie der Begriff schon andeutet, die Ausgewogenheit der betrachteten Perspektiven und Kennzahlen, mit welchen sich die Organisation auf die langfristigen Ziele hin ausrichtet. Retroperspektiv kann dies als erster Schritt zu unserer datengetriebenen Realität gewertet werden.

Gleichzeitig entwickelten sich im Zuge der Softwareentwicklung unterschiedliche agile Frameworks und Praktiken, die einen Ansatz dafür bieten Arbeit innerhalb eines bestimmten Teams flexibel zu organisieren. Ein Beispiel dafür ist das SCRUM-Modell. Dabei werden größere Ziele oder Aufgaben in messbare (S.M.A.R.T.), kleinere Sprints aufgeteilt, um diese iterativ zu bearbeiten und stetig reflektieren zu können. Der Fokus von SCRUM ist es, die Transparenz und Umsetzungsgeschwindigkeit in Unternehmen zu erhöhen. Dabei bedeutet Agilität ein schnelles und reflektiertes Handeln, ohne den Blick für das große Ganze zu verlieren.

Der OKR-Ansatz ist eine agile Managementmethode, welche die Vorteile aller zuvor genannten Modelle vereinbart: das zielführende Denken des MbO’s, die Vergleichbarkeit und Klarheit der Aufgabenstellung des S.M.A.R.T.-Modells, die Verknüpfung von Zielen mit Kennzahlen der Balanced Scorecard und vor allem das Reflektieren und die schnelle Anpassungsfähigkeit der agilen Schulen.

Der OKR-Ansatz wurde zuerst in den 70ern bei Intel eingeführt und gilt nun als einer der maßgeblichen Erfolgstreiber von Google. Wirkliche Popularität konnte es jedoch erst in den vergangenen drei Jahren im Silicon Valley erlangen, die sich nun auch vermehrt in Europa zeigt. Es ist anzunehmen, dass der Durchbruch für dieses Modell nicht für die damalige, hierarchische Arbeitsweise und -kultur geeignet war. Vielmehr eignet es sich eher für disruptiv denkende und exponentiell wachsende Unternehmen, die sich in jeglicher Art und Weise von ihrer Konkurrenz in einem volatilen Markt abheben müssen.

 

OKR Werdegang

Dient OKR auch als Steuerungstool für die New Work Bewegung?

In den letzten 1,5 Jahre haben sich auch die Kommunikationswege innerhalb der Unternehmen stark verändert. Zum einen mussten die Führungskräfte auf allen Ebenen oft schnell agieren und manchmal auch die Richtung wechseln. Die Agilität und Eigenständigkeit werden spätestens jetzt selbstverständlich gelebt. Zum anderen hat sich auch die Selbstbestimmung der Mitarbeiter in den Betriebsabläufen verankert – das fängt schon mit der freien Wahl des Arbeitsorts an.

Diese Dezentralisierung, die uns durch die Pandemie von außen aufgezwungen wurde, sich nun aber gut etabliert hat, hat zwei Implikationen auf die Unternehmenssteuerung:

  1. Dezentrale Arbeitsweise und eigenständige Entscheidungen erfordern eine klare Orientierung: Top-Down Kommunikation der Unternehmensziele und Transparenz über den Weg dorthin sind unabdingbar
  2. Die Mitarbeiter müssen bei der Wegentwicklung mitgenommen werden, indem sie selbst definieren, wie der eigene Beitrag zur Zielerreichung aussehen kann.

Beides lässt sich im OKR-Ansatz gut abbilden: Er spannt einen verbindlichen, einheitlichen Schirm über alle Unternehmensbereiche zur Orientierung an klaren Unternehmenszielen und lässt Raum für eigenständige Interpretation und Umsetzung auf allen Ebenen.

 

OKR – oft hoch gelobt, doch steckt der Teufel im Detail?

Wenn OKRs Bottom-Up definiert werden, kann das dazu führen, dass die unternehmensübergreifende Ausrichtung fehlt. Es ist zwar großartig, dass OKRs unter Mitwirkung aller Mitarbeiter des Unternehmens erstellt werden, doch kann dies auch Nachteile mit sich bringen. Wenn nämlich jedes Team seine eigenen OKRs entwirft, kann die allgemeine Ausrichtung auf die obersten Ziele der Gesamtorganisation verloren gehen. Damit der Bottom-Up-Ansatz wirklich erfolgreich ist, muss absolute Klarheit darüber herrschen, was die Organisation als Ganzes erreichen will. Die OKRs können dann in dieses Ziel einfließen.

Zunächst sollte deshalb die Geschäftsführung / die Leitung die obersten OKRs des Unternehmens definieren. Anhand dieses Rahmens können Abteilungen und Einzelpersonen ihre eigenen ehrgeizigen Objectives und Key Results entwickeln, die diese übergeordnete Strategie unterstützen.

Während dieses Prozesses sollten die Teams vertikal zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass ihre OKRs aufeinander abgestimmt sind. Allerdings läuft man so auch Gefahr eines hohen Zeitaufwandes, der sich in jedem Zyklus wiederholt. Neben den abteilungsinternen Abstimmungen gehören auch Meetings mit anderen Einheiten zum Geschäft, um die wenigen, eigenen Ziele durchzusetzen und Doppelungen zu vermeiden. Um Frust und den hohen organisatorischen Aufwand zu vermeiden, sollten die Bereiche vor allem in den anfänglichen Zyklen nach OKR-Einführung durch Experten begleitet und unterstützt werden. Diesen zeitlichen und personellen Aufwand in der Anfangsphase gilt es zu berücksichtigen, um langfristig effizient, zielgerichtet und mit dem Committment aller Beteiligten zu planen.

Die Einführung neuer Methoden im Unternehmen bedeutet jedoch auch immer Veränderung für die Organisation als Ganzes sowie für den einzelnen Mitarbeiter. Bei OKR hat dies mehrere, besondere Ausprägungen: Da OKR eine Kombination verschiedener Ansätze, sowohl Top-Down als auch Bottom-Up, ist, führt man – unabhängig vom alten Steuerungsmodell – eine Gegenbewegung ein. Das neue Modell kann für den einen oder anderen Mitarbeiter plötzlich zu stark Top-Down getrieben sein, da es vorher gewohnt war, die Ziele Bottom-Up zu definieren – oder andersherum: für Andere mag dieser Ansatz zu dezentral sein.

Des Weiteren ist die durch OKR gewonnene Transparenz nicht immer nur ein Vorteil, vor allem in Unternehmen oder Abteilungen, in welchen Individual- und Teamziele nicht gängig sind. OKR führt dazu, dass nun ersichtlich ist, woran und worauf jeder gerade hinarbeitet. Die neu gesteckten Objectives können bei einzelnen Mitarbeitern Angst vor Kontrolle oder Leistungsdruck erzeugen. Deshalb ist Verständnis der Führungsebenen essenziell und es ist deren Aufgabe zu vermitteln, dass dieser neue Ansatz sowie die damit zusammenhängenden Reviews und Retrospektiven dazu dienen, den Einzelnen auf dem Weg zur Zielerreichung zu unterstützen und nicht, um ihn zu kontrollieren.

Die kurzen Zyklen des OKRs bieten einem Unternehmen die notwendige Flexibilität, um rasch auf Marktimpulse zu reagieren, sie sind zeitgemäß, bieten Raum für Innovationen, können jedoch auch kurzfristiges Denken fördern. Was passiert allerdings mit Projektinitiativen und Produktentwicklungen, für deren Realisierung weit mehr als ein oder zwei Zyklen notwendig sind? Für „Tankerprojekte“ mit Abhängigkeiten in mehrere, unterschiedliche Bereiche könnte dies schnell ein Untergang bedeuten, da der mögliche Kurswechsel und neue OKRs zur Depriorisierung führen. Das legt gegebenenfalls konfliktäre Ziele offen. Diese gilt es anzusprechen und zusammen einen Konsens zu finden, wie man mit ihnen umgeht.

 

OKR: Das brauchen wir auch! Aber wie implementieren wir das in unsere bestehenden Unternehmensstrukturen?

Nehmen wir an, Sie sind von der OKR-Methode überzeugt und wollen sie zur Steuerung Ihres Unternehmens einsetzen. Wie gehen Sie vor?

Aus unserer Erfahrung tut es Unternehmen gut, die Steuerungslogiken und -mechanismen zumindest mittelfristig konstant zu halten. Denn es braucht Zeit, bis der Change über alle Unternehmensprozesse hinweg stattgefunden und sich auch im täglichen Arbeiten verankert hat.

Es ist also wichtig, vor der Einführung eine Bestandsaufnahme zu machen: Mit welchen Methoden arbeiten Sie bereits erfolgreich? Welche haben bei Ihren Mitarbeitern eine hohe Akzeptanz? Wenn Sie z. B. mit Balanced Scorecard arbeiten und diese bis runter auf die Abteilungsebene in den Zielen verankert ist, müssen Sie diese nicht verwerfen. Sie lässt sich gut in die Unternehmensziele nach der OKR-Logik überführen. Essenziell wichtig ist es aber, dass Sie das Unternehmen in der Kommunikation des Steuerungsmodells nicht mit verschiedenen Begriffen und Konzepten „überschütten“. Entwickeln Sie Ihr eigenes Steuerungsmodell.

Stellen Sie sich die Frage, wie viel von der reinen OKR-Theorie in Ihr Unternehmen und das Tagesgeschäft passt. Nehmen wir zum Beispiel das wöchentliche Review. Sie müssen vielleicht nicht in jeder Abteilung ein Stand Up Meeting zu den Zielen einführen. Aber wenn es Ihnen gelingt, dass jeder Abteilungsleiter sich am Ende der Woche fragt, wie viel Zeit hat meine Abteilung diese Woche in die Erreichung unserer Ziele investiert, haben Sie einen wahren Mindset-Change hinbekommen.

Was Sie bei sich auf jeden Fall etablieren sollten: eine gesunde Fehlerkultur und neues Verständnis des Erfolgs. Der OKR-Ansatz fordert sich ambitionierte Ziele zu stecken – was nicht bedeutet, dass diese immer vollständig erfüllt werden müssen. Werden Ziele nicht erreicht, so sollte dies nicht als Scheitern, sondern als Lernprozess verstanden werden. Wenn Sie dieses Umdenken erfolgreich verankert haben, hat dies enorme Auswirkungen auf die Motivation der Einzelnen und die Akzeptanz bezüglich des Modells innerhalb der Organisation.

 

Know-How aus erster Hand – HPP unterstützt Sie gerne

Woher wir das wissen? Aus zahlreichen Projekten der letzten 25 Jahren, bei denen wir unsere Kunden aus dem Mittelstand und der internationalen Konzernwelt bei der Einführung von Steuerungskonzepten und Unternehmens-KPIs begleiten durften. Nach vielen ent- und wieder verworfenen Steuerungskonzepten, Workshops mit kontroversen Diskussionen zur Entwicklung maßgeschneiderter Lösungen, KPI-Dashboards und Review-Sessions nach Einführung neuer Steuerungsmodelle können wir eins mit Sicherheit sagen: Es kommt nicht auf das eine spezifische Steuerungskonzept an, sondern auf den Fit mit Ihrem Unternehmen. Vor allem aber auch auf die Zeit, die Sie sich für die Vorbereitung und den Change nehmen, und auf den Einbezug Ihrer Mitarbeiter von Anfang an.

Ansprechpartner

André Köhler

André Köhler

Herr Köhler ist geschäftsführender Gesellschafter bei HPP und hat in über 20 Jahren Beratererfahrung seine umfassende Expertise in diversen industriellen Branchen erworben. Bei HPP ist er Ansprechpartner für die Bereiche Telekommunikation, Energie sowie Banken und Finanzdienstleistungen.
Er ist verheiratet, Vater einer Tochter und ein begeisterter Skifahrer.

Titelbild: Sean Robertson/unplash.com (4SXtQktBKOk)